FlexEO

Auf flexibler Elektronik und Optik basierendes tragbares Gerät zur in vivo Spektrometrie von Blutbestandteilen für die Telemedizin



Inhalt des Projekts

Die Technische Universität Dresden (TUD) und die Anvajo GmbH, eine studentische Ausgründung der TUD, führen gemeinsam das Telemedizin-Projekt »FlexEO - Auf flexibler Elektronik und Optik basierendes tragbares Gerät zur in vivo Spektrometrie von Blutbestandteilen für die Telemedizin« durch.

In der heuten Zeit steigt die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen schneller als die Kapazitäten der Leistungserbringer dies bewältigen können. Medizinische Unterversorgung kann aufgrund der Überlastung vorhandener Strukturen wegen Fehlentwicklungen oder aufgrund von Ärztemangel durch Budgetierung, Bürokratisierung und Fehlallokation in der Ausbildung entstehen. Geografische Ungleichverteilungen führen zusätzlich zu einem relativen Mangel an Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten.

Durch eine enge Vernetzung zentraler und dezentraler Gesundheitseinrichtungen (Telemetrie) sowie dem Einsatz innovativer Technologien (Telemedizin) sollen diese Herausforderungen nun bewältigt werden. Telemedizin beschreibt hierbei die Interaktion zwischen Patienten und Behandelnden bei einer räumlichen und zeitlichen Separierung der Beteiligten. Hierbei werden vermehrt mobile, am Patienten tragbare Geräte eingesetzt, die eine Messung von Vitalfunktionen (Telemonitoring) und begrenzte Eingriffe durch Aktuatoriksysteme ermöglichen.

Der Erfassung von Hämodynamik und Biochemie des Blutes kommt eine besondere Bedeutung zu, da sich daraus eine Vielzahl von Erkrankungen spezifizieren und überwachen lassen, insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen. In diesem Kontext hat sich die Methodik der Photoplethysmographie klinisch etabliert. Sie wird zum einen eingesetzt, um respiratorische Probleme erkennen zu können (Pulsoxymetrie), zum anderen, um den Puls und daraus abgeleitete Vitalparameter zu bestimmen (Pulswellenanalyse) und zu überwachen (klinisches Monitoring).

Die Blutspektrometrie (BSP) erlaubt gemeinhin eine quantitative Bestimmung von Blutbestandteilen. Vor dem Hintergrund einer Zunahme chronischer Erkrankungen und einer ausgeprägten Multimorbidität, aber auch in Anbetracht der wachsenden Bereitschaft zu privater Vorsorge und Fitnessanwendungen, verfügt eine nichtinvasiv in vivo ausgeführte BSP über unzählige klinische und außerklinische Anwendungen. Im Gegensatz zur in-vitro BSP, welche den heutigen Stand der Technik repräsentiert, ist die in vivo BSP allerdings noch nicht ausreichend realisiert. Die Schwierigkeit besteht darin, dass sekundäre statische (Haut und Knochen) und dynamische Einflussfaktoren (Blutpulsation) in vivo erfassbare Spektren bestimmen und eine Analyse der Blutbestandteile verhindern.

Durch die Integration einer mobilen Multispektralanalyse wird der Ansatz der Photoplethysmographie wesentlich weiterentwickelt, einerseits um die bekannten Nachteile der etablierten Pulsoxymetrie zu minimieren, und andererseits, um erstmals eine nichtinvasive biochemische Analytik des Blutes auf einem mobilen Gerät vorzustellen. Der dabei verfolgte Ansatz sieht vor, multispektrale Photoplethysmogramme mittels Algorithmen zur Pulswellenanalyse des Instituts für Biomedizinische Technik der TU Dresden zu bewerten und physiologische Parameter zu bestimmen. Der Möglichkeit, verschiedene Parameter des Blutes nichtinvasiv, in vivo zu messen, wohnen weitreichende medizinische und gesundheitspolitische Vorteile inne.

Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines tragbaren Gerätes für die häusliche Überwachung von chronisch erkrankten Menschen. Kernstück der nichtinvasiven, in vivo Messung von Blutbestandteilen ist ein optisches Mikrospektrometer. Eingebettet ist dieser in ein flexibles Gerät, welches auf flexibler Elektronik basiert. Der Vorteil liegt in der besseren Ausrichtung verschiedener Sensoren zu der Körperoberfläche und damit einhergehend die Verbesserung der Messqualität. Mit neuartigen Algorithmen, die den pulsatilen Blutanteil im menschlichen Gewebe berücksichtigen, können bisher nicht messbare Blutbestandteile in vivo bestimmt werden.

Ergebnisse

Mit einem experimentellen Laboraufbau konnte im ersten Teil des Projektes vom IAVT eine geeignete Entwicklungsumgebung geschaffen werden, mit der die erforderlichen Teilsysteme des Messsystems für die in vivo Überwachung von chronisch erkrankten Menschen mittels Blutspektrometrie dimensioniert, entworfen, aufgebaut und evaluiert werden konnten.

Das IAVT hat verschiedene Beleuchtungsquellen aufgebaut, die für experimentelle Untersuchungen durch das IBMT genutzt wurden. Mit dem Experimentierplatz konnte eine geeignete Anordnung der Messsituation am Unterarm nachempfunden und das Spektrometer sowie die Lichtquellen abgestimmt werden.

Des Weiteren konnten am Experimentierplatz verschiedene Konzepte zur mechanischen Manipulation des Messsystems untersucht und durch das IAVT eine leistungsfähige Lösung bezüglich Druckaufbau, Durchflussmenge und dynamischen Verhaltens bei akzeptablem Bauraum und Gewicht gefunden werden. Hierzu wurden verschiedene Konzepte der Druckerzeugung (siehe Abbildung 1), der pneumatischen Steuerung und verschiedener Aktuatoren aufgebaut und evaluiert.

Die Konzeptionierung der elektronischen Steuerung des Messsystems und die Anbindung in ein telemedizinisches Netz wurde vom IAVT durchgeführt. Die entwickelte Schaltungstechnik wurde zunächst mittels klassischer Aufbauten, basierend auf starren Substraten, realisiert. Die Steuerung wurde mit den am Experimentierplatz aufgebauten Teilsystemen verbunden und eine Konzeptionierung und Implementierung der Firmware, die Abstimmung der Übertragungsprotokolle zu den Peripheriemodulen, die Ermittlung von Betriebsparametern sowie eine Funktionsprüfung durchgeführt.

Als Ergebnis stand ein Laboraufbau mit einem experimentellen Messsystem für die Blutspektrometrie zur Verfügung mit dem die grundlegenden Funktionalitäten des Messsystems zunächst als starrer Aufbau realisiert und getestet wurden und Untersuchungen für die Entwicklungsarbeiten der weiteren Arbeitspakete durchgeführt werden konnten.

 

Weiterentwicklung zu einem anatomisch an den Unterarm angepassten Messsystem

Die Entwicklung und der Aufbau eines flexiblen, anatomisch an den Unterarm angepassten Messsystems wurde vom IAVT durchgeführt. Die als starrer Aufbau realisierten grundlegenden Funktionalitäten des Messsystems wurden hierzu im nächsten Schritt auf einen flexiblen Aufbau übertragen und optimiert. In Abbildung 3 ist ein pneumatischer Aktuator zu sehen.  An diesen Modellen konnten die Eigenschaften des Aktuators (Formgebung der Balgs) und eine verbesserte Fertigung pneumatischer Kanäle und deren Ankopplung studiert werden.

Für den Aufbau einer flexiblen Messelektronik waren die bekannten Vorteile der FPC-Technologien, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung dreidimensionaler und verformbarer Lösungen, von Interesse. Der dafür erforderliche Entwicklungsprozess entspricht im Wesentlichen der klassischen Herangehensweise bei konventionellen Produkten. Zusätzlich zu beachten waren noch weitere Anforderungen an die Biokompatibilität und die Vorgaben für Medizinprodukte, welche technische, medizinische und hygienische Sicherheitsanforderungen zu erfüllen haben.

Für die Konzeptionierung der Firmware, die Programmierung und die Abstimmung der Übertragungsprotokolle zu den Peripheriemodulen für den flexiblen Aufbau konnte der im ersten Projektabschnitt entwickelte Messplatz genutzt werden. Der serielle Datenaustausch zwischen Host und Spektrometer erfolgt im DMA Betrieb und die Verwendung einer Pipe Architektur ermöglicht die parallele Bereitstellung der Datenströme, so dass die Peripherie in Echtzeit arbeiten kann.

Für den mechanischen Aufbau der Manschette wurde eine Struktur gewählt, bei der die flexiblen Teilsysteme mit einer Silikonschicht verkapselt sind. Diese Struktur verleiht der Manschette die erforderliche Elastizität, Biostabilität und vorteilhafte technologische Eigenschaften wie z. B. eine gute Haftung an der Schnittstelle zwischen den verwendeten, unterschiedlichen Materialien. Um einen solchen Aufbau der Manschette realisieren zu können wurde ein zweistufiges Verfahren entwickelt, bei dem alle präzise geformten Oberflächen der Manschette mit einem 3D-Druckverfahren hergestellt werden und die Verkapselung der eingebetteten Strukturen und Teilsysteme durch ein Injektionsverfahren erfolgt. Hierzu wurden die einzubettenden Teilsysteme zu flexiblen, oder teilflexiblen Modulen weiterentwickelt.

Durch die hervorragenden Eigenschaften dieses zweistufigen Verfahrens, sowie der vorteilhaften Eigenschaften des verwendeten Silikons zur Formgebung sowie seiner guten Formreproduzierbarkeit nach Verformung oder Belastung, konnten sehr filigrane 3D-Strukturen realisiert und viele Funktionselemente im zur Verfügung stehenden Bauraum untergebracht werden. Dadurch war es möglich, die z. T. technisch bedingt ungünstigen Proportionen der Teilsysteme, welche die Größe und Beschaffenheit des Gesamtsystems bestimmen, in einem relativ kompakten und ansprechenden Gesamtdesign zu integrieren.

Die einzelnen Teilsysteme wurden vor dem Einbau außerhalb der Manschette getestet. Zur Inbetriebnahme wurde mit den dafür programmierten Testalgorithmen eine Voreinstellung der Betriebsparameter vorgenommen um Beschädigungen der Komponenten zu vermieden.

Ausgehend vom klinischen Anforderungsdesign, welches am IBMT vorgenommen wurde, konnten Artefakttypen identifiziert und anschließend in den geplanten Studien genauer betrachtet werden. Anhand der erarbeiteten theoretischen Grundlagen wurden die Artefakttypen simuliert und somit erste Erkenntnisse zur Entwicklung einer robusten Signalverarbeitung gewonnen. Neben der Kommunikation wurde die Anbindung von klinischer Referenztechnik zur zeitsynchronen Aufnahme geprüft und die Erkenntnisse in eine erweiterte Demonstrationseinheit integriert. In weiteren Arbeiten wurden Algorithmen zur Pulskonturanalyse und Artefakterkennung eingesetzt, um physiologische Informationen zu extrahieren. Anhand des klinischen Anforderungsdesigns konnte am IBMT eine erste Pilotstudie entworfen und durchgeführt werden. Es konnten von 15 gesunden Probanden Messsignale aufgenommen und analysiert werden. Aufgrund der anhaltenden pandemischen Situation (SARS-CoV-2) mussten weitere geplante Evaluierungen mit größeren Probandenkollektiven am IBMT eingestellt werden. Jedoch konnten in der Pilotstudie alle entwickelten Verfahren validiert und optimiert werden.

Veröffentlichungen:

M. Schaulin, K. Bock “Flexible Aufbau- und Verbindungstechnik für die mobile in-vivo Blutspektrometrie” Elektronische Baugruppen und Leiterplatten (EBL), 10. DVS/GMM-Fachtagung, Fellbach, 2020.

R. Hohmuth, H. Malberg und M. Schmidt „Einsatz von Spektroskopie in der multispektralen Photoplethysmographie" VDE DGMBT Biosignale 2020, Kiel, 2020

M. Schaulin, S. Zaunseder, M. Schmidt und K. Bock “Aufbau und Verbindungstechnik für Mobile In-vivo Blutspektrometrie” MikroSystemTechnik Kongress (MST), Berlin, 2019.